Gespräch mit Prof. Norbert Galldiks

Was sind Ihre Arbeits-/Forschungsschwerpunkte an der Uniklinik Köln und am Forschungszentrum Jülich?

Der Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppe liegt in der klinisch-translationalen Forschung im Bereich der Neurobildgebung. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Aminosäure-PET mit dem Tracer 18-F Fluorethyltyrosin (FET). Durch zahlreiche Publikationen mit überwiegend klinischen Fragestellungen haben wir einen Teil dazu beitragen können, dass diese Methode mittlerweile eine große Akzeptanz im Gebiet der Neuro-Onkologie erreicht hat. Uns werden daher regelmäßig viele Patienten zur Untersuchung mit FET PET an das Forschungszentrum Jülich zugewiesen. Wir untersuchen sowohl Patienten mit Gliomen als auch mit Hirnmetastasen.

An der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Köln leite ich den Bereich Neuro-Onkologie und habe daher die Möglichkeit, Hirntumorpatienten zu innovativen, ergänzenden bildgebenden Verfahren an das Forschungszentrum Jülich weiterzuleiten.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit PET im Allgemeinen und Gehirn-PET im Besonderen zu beschäftigen?

Meine Facharztausbildung habe ich an der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Köln absolviert. Dort wurde ich anfangs durch meine klinischen und wissenschaftlichen Lehrer inspiriert. Hier sind insbesondere Herr Prof. Heiss und Herr Prof. Herholz zu nennen. Beide haben maßgebliche Forschungsarbeit geleistet, welche dazu geführt hat, dass die Methode PET national wie international im Bereich der klinisch-neurologischen Forschung etabliert werden konnte.

Gibt es besondere Erfahrungen oder Erfolgsgeschichten welche Sie dem Einsatz von PET in der Neuroonkologie zuschreiben würden?

Eine Reihe von Studien zeigt, dass das Aminosäure-PET mehr Informationen als die Standard-MRT liefert. Hier ist vor allem die Differenzierung zwischen einer therapieindizierten Veränderung, die eine Tumorprogression suggeriert, jedoch aber nicht vorhanden ist, von einer tatsächlichen Tumorprogression zu nennen. Diese wichtigen Informationen fließen dann auch in die klinische Entscheidungsfindung ein. Wir sehen in der klinischen Routine regelmäßig Beispiele, bei denen diese wichtige Differentialdiagnose mit Hilfe der Aminosäure-PET gemacht werden kann. Die frühzeitige Diagnose einer therapieindizierten Veränderung mittels Aminosäure-PET kann dazu beitragen, dass eine effektive Therapie belassen werden kann und es vermieden wird, dass eine Therapie mit potenziell mehr Nebenwirkungen unnötigerweise begonnen wird.

Wo sehen Sie die Vorteile von Gehirn-PET in der Neuroonkologie?

Neben der bereits erwähnten Differenzierung zwischen einer therapieindizierten Veränderung und einer tatsächlichen Tumorprogression ist die Bestimmung der Gliom-Ausdehnung zu erwähnen. Bestimmte Gliome zeigen keinerlei Kontrastmittelaufnahme – hier kann Aminosäure-PET helfen, die Tumorabschnitte mit der höchsten Malignität zu erfassen. Oft bilden sich diese Abschnitte durch sog. „Hot Spots“ ab, welche dann als Zielstruktur für die Biopsieführung, Resektion oder Bestrahlungsplanung genutzt werden können.

Mit Hilfe serieller bzw. mehrzeitiger Aminosäure-PET (z. B. vor Therapiebeginn und im Verlauf unter Therapie erneut) lassen sich zudem auch Aussagen über das Therapieansprechen treffen. Beispielsweise ist der Rückgang der metabolischen Tumoraktivität im Verlauf hinweisend für ein Therapieansprechen. Erste Arbeiten konnten zudem zeigen, dass dies mit einer signifikanten Verlängerung des Überlebens einherging.

Kürzlich wurde eine Studie von einer Gruppe in den Niederlanden veröffentlicht, die zeigt, dass dank dem Einsatz von PET-Scans unnötige Kosten und Eingriffe vermieden werden können. Können Sie dies basierend auf Ihren Erfahrungen bestätigen und glauben Sie, dass dank PET-Diagnostik Kosten eingespart werden können?

Absolut. Wir haben dies mit FET PET in mehreren Studien auch aufzeigen können, z.B. Heinzel et al., 2013, Heinzel et al., 2017 und Rosen et al., 2022. Unsere Arbeiten wurden auch von anderen Arbeitsgruppen bestätigt wie z.B. von der Gruppe um Prof. Baguet von der Universitätsklinik Ghent in Belgien (Baguet et al., 2019).

 

Wo sehen Sie derzeit mögliche Nachteile der Gehirn-PET in der Neuroonkologie?

Ein Nachteil ist sicherlich, dass die Kosten der Aminosäure-PET von den gesetzlichen Krankenkassen häufig nicht übernommen werden. Es steht allerdings an, dass sich dies in absehbarer Zeit in Deutschland wahrscheinlich ändern wird (s. vorläufiger Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses vom 16.12.21). Verglichen zur konventionellen MRT ist die Aminosäure-PET ungefähr doppelt so teuer und wird aufgrund der bislang unzureichenden Kostenübernahme nicht überall für Hirntumor-Patienten angeboten.

Was muss passieren, damit PET noch breiter eingesetzt wird als heute?

Neben der stetigen Publikation von Forschungsergebnissen und der Kostenübernahme seitens der gesetzlichen Krankenkassen ist wichtig, dass Leitlinien für den einheitlichen Einsatz von Aminosäure-PET vorhanden sind. In Zusammenarbeit mit großen europäischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften sind diese kürzlich aktualisiert worden (Law et al., 2019). Wichtig ist auch bei der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern, auf die Wichtigkeit der modernen Neurobildgebung verstärkt einzugehen.

Ein dediziertes Gehirn-PET-Gerät ist in Deutschland noch nicht verfügbar. Halten Sie ein solches Gerät für notwendig?

Ich glaube, dass es einen Zusatznutzen hat, weil das Gerät sehr klein und kompakt ist und somit logistische Vorteile im Vergleich zu einem großen Ganzkörper-Scanner hat. Ich vermute zudem, dass das Gerät preislich attraktiv sein wird und unter den Preisen eines Ganzkörper-PET Systems liegen wird.

Was gefällt Ihnen nach Ihrem ersten Eindruck am besten an NeuroLF? 

Ich kenne das Gerät noch nicht gut und konnte es bislang noch nicht testen. Wie aber bereits erwähnt, sehe ich in der Kompaktheit und der vereinfachten Logistik die Hauptvorteile. Das Gerät könnte dadurch auch interessant für Neuro-Zentren werden, weil die Nachfrage nach PET-Tracern z.B. hinsichtlich der Diagnostik der Alzheimer-Krankheit in Zukunft sicherlich steigen dürfte, insbesondere dann, wenn effektive Therapien erhältlich sind.

Welche Trends sehen Sie in Deutschland in Bezug auf den Einsatz von PET im Allgemeinen und Gehirn-PET im Besonderen?

Bei extrakraniellen Tumoren ist der Einsatz der PET bei Prostatakrebs sehr weit verbreitet und etabliert. Eine wichtige Methode ist unter anderem „Theranostics“ mit der Prostatakarzinome diagnostiziert und gleichzeitig direkt behandelt werden können. Die Frühdiagnostik einer Alzheimer-Erkrankung inklusive deren Differentialdiagnosen ist aus neurologischer Sicht ein weiteres sehr wichtiges Thema. Hier kommen Tracer zum Einsatz, die pathologische zerebrale Ablagerungen (v. a. Amyloid, Tau) im Rahmen der Erkrankung direkt darstellen. Von großem Interesse ist auch die Darstellung der Somatostatinrezeptor-Expression bei Meningeom-Patienten mittels PET. Vor allem bei Schädelbasis-Meningeomen lassen sich hier u.a. wichtige Informationen über die Tumorausdehnung erheben.

Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Deutschland hat kürzlich eine Aktualisierung der ASV-Verordnung veröffentlicht, in der die Hirn-PET bei neuroonkologischen Fragestellungen in die ambulante Kostenerstattung, insbesondere bei FET, aufgenommen würde. Sehen Sie, dass sich diese Änderung auf die in Deutschland durchgeführten Verfahren auswirken könnte?

Dies ist insgesamt eine sehr erfreuliche Entwicklung in Deutschland. Ich gehe davon aus, dass dieser positive Entscheid aus unterschiedlichen Gründen zu Stande kam:

  1. Es wurde in den vergangenen Jahren in zahlreichen publizierten Forschungsarbeiten von verschiedenen Arbeitsgruppen gezeigt, dass Aminosäure-PET einen deutlichen diagnostischen Zusatznutzen hat.
  2. Es gibt Leitlinien, die in gemeinsamer Zusammenarbeit mit den wichtigsten europäischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften publiziert wurden (Law et al., 2019).
  3. Es wurden mehrere Konsensus-Publikationen von verschiedenen Experten aus allen Fachrichtungen veröffentlicht, die in der Versorgung von Hirntumor-Patienten involviert sind, welche den Wert der Aminosäure-PET ebenfalls hervorgehoben haben.

Was möchten Sie persönlich in den kommenden Jahren mit Ihrer Forschung und/oder klinischen Arbeit erreichen?

Viele PET-Studien stammen aus einem einzigen, meist universitären Zentrum und haben oft retrospektiven Charakter. Ich würde daher gerne zukünftig vermehrt bei prospektiven Multicenter-Studien mitarbeiten bzw. mithelfen, solche zu initiieren. Von großem klinischem Interesse ist auch der Einsatz der Aminosäure-PET zum Therapiemonitoring von innovativen Therapieansätzen, z.B. aus dem Bereich der Immuntherapie. Nicht zuletzt wäre es spannend, wenn vermehrt bildgebende Befunde mit neuropathologischen Befunden räumlich korreliert oder anderen innovativen diagnostischen Methoden kombiniert werden könnten.

Über Univ.-Prof. Dr. Norbert Galldiks

Dr. Norbert Galldiks ist Facharzt für Neurologie und Universitätsprofessor für Translationale Bildgebung in der Neuroonkologie an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln. Er ist zudem Oberarzt an der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Köln und dort verantwortlich für den Bereich Neuroonkologie. Am Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-3) des Forschungszentrum Jülich ist er Arbeitsgruppenleiter. Er führt weiterhin gemeinsam mit Kollegen aus dem Zentrum für Neurochirurgie das Hirntumorzentrum an der Universitätsklinik Köln. Auf internationaler Ebene leitet er die PET Response Assessment in Neuro-Oncology (PET/RANO) Working Group.

Er entwickelte zahlreiche Neuroimaging-Studien bei Hirntumorpatienten und nahm an mehreren nationalen und internationalen klinischen Studien der Phasen 2 und 3 zur Hirntumortherapie teil. Darüber hinaus war er Mitautor von Leitlinien, welche in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachgesellschaften für PET-Bildgebung und das klinische Management von Patienten mit Hirnmetastasen entstanden sind (v.a. RANO, EANO, EANM, ESMO, ESTRO, SNMMI). Weiterhin ist er Associate Editor für die Zeitschriften Neurooncology Advances und Neurooncology Practice.

Dr. Galldiks hat laut Web of Science mehr als 280 Veröffentlichungen mit Schwerpunkt auf der Evaluierung von Gliomen und Hirnmetastasen mittels PET sowie MRT-, Hybrid PET/MRT- und Radiomics-Techniken.